Hysterie ist…

„Wie auch immer die Symptome der Hysterie aussehen mögen – sie haben sich auf jeden Fall im Laufe der Jahrhunderte, und insbesondere in den letzten 100 Jahren erheblich verändert.

Aber dies ist allen Symptombildungen gemeinsam: der Patient hat einen aktiven Teil an ihrer Auswahl und Gestaltung, und seine Symptome lassen sich nicht in die Kategorie des automatischen „Reflexes“ einordnen. In gewissem Sinne vollbringt der hysterische Patient genau das, was der Therapeut mit seiner „Hysterie-Behandlung“ an ihm zu erreichen sucht, aber er kehrt den Spieß um.

Während der Therapeut mithilfe der Logik die Macht über den Körper des Hysterikers zu erringen sucht, diesen Körper der Funktionsweise der Maschine anzupassen bemüht ist, eignet sich der Hysteriker die Gesetze der Logik, die Ordnung der Maschine an und macht sie scheinbar zu den seinen.

Aber indem der Hysteriker sich die Gesetze, denen sein Körper unterworfen werden soll, zu eigen macht, hebt er die Fremdbestimmung wieder auf – und mit ihr die Ordnung das Gesetz selbst. Durch seine Symptombildung offenbart der Hysteriker den Widerspruch, dass weibliche Normalität zugleich weibliche Krankhaftigkeit darstellt.

Er überführt die Logik ihrer Verlogenheit.

Der Hysteriker funktioniert seine Opferrolle um zu der des Agenten einer antagonistischen Kraft.

Die eine der beiden Kräfte, die an dieser Auseinandersetzung beteiligt sind, versucht das Sexualwesen, das ich zu vernichten; die andere aber, die hysterische Symptombildung, lehnt sich gegen diese Vernichtung auf.“

(Quelle: Christina von Braun. Nicht Ich, S. 37)