Deutscher Verein für Psychiatrie 1911

Der Seelenzustand, den wir als die Grundlage der hysterischen Symptome ansehen, ist in seiner
pathologischen Bedeutung nicht immer gleich zu bewerten: er kann im einen Fall dem Normalzustande ganz nahe stehen, im andern auf schwere Entartung hinweisen.
Das Unterscheidende liegt nicht in der Zahl und Massigkeit der Symptome, sondern im Verhältnis von Individuum und Außenwelt. Der Seelenzustand, den man „hysterische Veranlagung“ nennt, ist keine starre pathologische Größe.
Man hat wohl mit Recht die Hysterie eine „abnorme Reaktionsweise auf die Anforderungen des
Lebens“ genannt.

Deutscher Verein für Psychiatrie 1911 Weiterlesen

Ist Hysterie eine selbständige Krankheit? 1929

„Du bist hysterisch!“ Das ist eine allzu allgemeine Redensart, die lediglich als Schimpfwort, als Bezeichnung irgendwelcher sonst nicht ausdrückbarer Eigenschaften von Menschen benutzt wird, denen das eigentliche Wesen der Hysterie absolut fremd ist. Die Allgemeinheit ist gewohnt mit dem Begriff „Hysterie“ die Vorstellung zu verbinden, daß jemand irgendetwas vorgibt, was den Tatsachen nicht entspricht. Sei es, daß der Betreffende lügt, indem er Vorgänge schildert, die nur in seiner Phantasie vorhanden, sei es daß jemand einen Krankheitszustand, ein Leiden spielt, also simuliert, um damit irgend einen greifbaren Zweck zu erreichen.

Ist Hysterie eine selbständige Krankheit? 1929 Weiterlesen

Hysterie im Kindesalter 1913

Charcot, der beste Kenner der Hysterie und ihr klassischer Schilderer, behauptet, daß es keine andere als erbliche Hysterie gebe und daß alles das, was von andern Forschern als Ursache angeführt wurde, nur das im Organismus schon schlummernde Leiden erwecke, also nur die Gelegenheitsursache sei, der „Agent provocateur“, wie sich Charcot ausdrückt. Aus diesem Standpunkt ergibt sich ohne weiteres, daß die Hysterie schon im Kinde stecken muß, wenn sie auch zumeist erst nach dem Entwicklungsstadium in Erscheinung tritt.

Hysterie im Kindesalter 1913 Weiterlesen

Gefährliche Vorbilder

Diese Form der Diagnostik hat nicht einmal mehr etwas (nur) mit Suggestion zu tun. Im Fall Billy Milligans, der mehrere junge Frauen brutal vergewaltigt hatte, wurden dem Täter die Antworten buchstäblich in den Mund gelegt, die dann dazu führten, dass er nicht zur Verantwortung gezogen wurde. Er entkam einer Strafe, weil eine „dramaturgische Frau“ (wie Dr. Marlene Kocan über Cornelia Wilbur formulierte) auf Kosten der tatsächlichen Opfer populär werden wollte.

Gefährliche Vorbilder Weiterlesen

Anzeichen der Hysterie 1798

Anlage zu Hypochondrie ober Hysterie und andern Nervenkrankheiten haben diejenigen, die von nervenschwachen Eltern abstammen, die in ihrer Jugend viel stillsitzend einsam in der Stube gelebt, viel warme Getränke genossen, auch viele empfindsame Bücher gelesen haben, die veränderliche Laune haben, öfters mit Magen, und Verdauungsbeschwerden und Blähungen geplagt werden, Beängstigungen, Klopfen im Unterleibe rc. empfinden, die früh und nüchtern müde und verdrossen sind, bis sie etwas stärkendes, eine Tasse Kaffee rc. genossen haben, die Neigung zur Einsamkeit und Mißtrauen gegen Menschen bei sich verspüren, deren Stuhlgänge selten, ungleich und trocken sind.

Anzeichen der Hysterie 1798 Weiterlesen

Bleichsucht oder Hysterie 1884

In einer bekannten württembergischen illustrierten Zeitschrift ist unter dem Titel „Heilung der 
Bleichsucht“ eine Krankengeschichte veröffentlicht, die, so genommen, wie sie gegeben ist, nahe an 
eine Wunderkur grenzt. Es mögen also einige Bemerkungen dazu vom ärztlichen Standpunkte 
aus am Platze sein. Im Allgemeinen gilt es, und bestimmt mit vollem Rechte, für verfehlt, die 
Behandlungsweise von Krankheiten in anderen als Fachblättern zu besprechen, und als Ausnahme 
von dieser Regel werden nur zugelassen das Gebiet der Hygiene, das ist: die Lehre wie der 
Entstehung von Krankheiten vorzubeugen, sowie weiter noch die erste Hilfe bei Unglücksfällen. Ist 
aber einmal der Verstoß gemacht, rein medizinische Fragen vor das große Publikum zu bringen, so 
soll dies wenigstens in richtiger Weise geschehen. 

Bleichsucht oder Hysterie 1884 Weiterlesen

Über die Hysterie 1879

Mit der Bezeichnung: „hysterische Frau“ kann man die Ehemänner erschrecken. So übler Art sind die Erfahrungen, welche dieselben mit solchen Weibern gemacht haben, daß schon ihre Citation in Schrift und Rede Furcht einflößt, wie der Schornsteinfeger bei kleinen Kindern. In dem Worte „hysterisch“ eröffnet sich aber auch der inhaltvolle Begriffe einer ganzen eheligen Leidensgeschichte; wenn man mißvergnügte Ehemänner spricht, oder aber in manche Mißstimmung des Ehelebens als unvermuteter Zeuge hineinblickt, so hört man sehr oft den Gatten gegen den Vertrauten seine, vor den Augen und der Welt nicht selten als liebenswürdig, sanft, still oder lebhaft geltende Gattin als Ursache des Mißvergnügens oder häuslichen Unfriedens beschuldigen und von ihr behaupten: daß sie hysterisch sei, und man versteht den beklagenswerten Mann sofort in Allem, was er noch sagen könnte.

Über die Hysterie 1879 Weiterlesen

Was mit der Hysterie passiert ist

Menschen, die unter der Hysterie leiden, sind in einer großen Not! Dazu zählen heute all jene, die unter Konversionsstörungen , Dissoziationen, dissoziative Erscheinungen, Ich-Spaltungen (dazu zählt die Dissoziative Identitätsstörung), Amnesien, Halluzinationen (die nicht der Schizophrenie zugeordnet werden können), Pseudodepressionen, Dämmerzuständen, Pseudodemenzen, histrionischen Persönlichkeitsstörungen uvm. leiden. Kein Mensch verzichtet freiwillig monate- ggf. sogar jahrelang (oder gar ein Leben lang) auf sein Augenlicht oder seine Bewegungsfähigkeit, um nur zwei Beispiele der Konversionsstörungen herauszugreifen.

Was mit der Hysterie passiert ist Weiterlesen

Das heutige Gesicht der Hysterie

Viele Betroffene, die angeben, an einer dissoziativen Identitätsstörung zu leiden, distanzieren sich verständlicherweise vehement von der einstigen Hysterie. Dabei ist die Ich-Spaltung – also die Dissoziative Identitätsstörung – genau DAS, was man einst unter Hysterie verstanden hat. Wir erleben bei dem großen Spektrum der Hysterie leider auch sehr viele Parallele zur Borderlinestörung. Irgendwann mal hat die Gesellschaft damit begonnen, diese Diagnose/n als Waffe/n einzusetzen, um Betroffene tief zu verletzen.

Das heutige Gesicht der Hysterie Weiterlesen